Riderman: Ein Erfolg, der in den Hintergrund rückt
Eigentlich war es einer der größten Erfolge vergangenen Jahre für das Team Strassacker: Mit Dennis Biederer holte erstmals seit 2017 wieder ein Strassacker-Fahrer den Gesamtsieg beim Riderman. Nach Jahren der erfolglosen Anläufe auf das Rosa Trikot beim prestigeträchtigen EtappenRennen gewann der bayerische Berg- und Zeitfahrspezialist vor starker Konkurrenz. Doch sein Sieg wurde überschattet von einem verheerenden Massensturz am Sonntag, der dem Event zu trauriger Berühmtheit in der nationalen Presse von der Bild bis ins heutejournal verhalf und den sportlichen Erfolg in den Hintergrund treten lässt.
Von Fabian Thiele
Aus sportlicher Sicht lief das Wochenende aus Perspektive des Teams Strassacker beinahe perfekt. Mit einer konzentrierten und geschlossenen Performance sicherten wir uns als Team nach Jahren des Wartens wieder den Titel in Bad Dürrheim. Allein die lange Durststrecke seit dem Gesamtsieg durch Hanno Rieping 2017 verdeutlicht den großen Wert des sportlichen Erfolgs, nachdem auch in diesem Jahr wieder sehr starke Konkurrenz am Start stand. Dennis Biederer legte den Grundstein für seinen Gesamtsieg mit einem überragenden Zeitfahren auf neuem Kurs am Freitag, in dem er sich mit einer halben Minute auf Rang zwei und beinahe einer Minute Vorsprung auf alle anderen Konkurrenten durchsetzen konnte. Mit Moritz Palm und Florian Sauer fanden sich zwei weitere Fahrer in Celeste in den Top sechs wieder, was uns für Samstag eine perfekte Ausgangsposition verschaffte. Dort entwickelte sich über 110 Kilometer und rund 1500 Höhenmeter ein hartes Ausscheidungsfahren, an dessen Ende sich eine siebenköpfige Gruppe absetzen konnte. Jakob Huschle vom Team Embrace the World verwies Moritz auf Rang zwei im Sprint gefolgt von Vorjahressieger Stefan Kirchmair. Dennis und Flo waren gleichermaßen Teil der Spitzengruppe, sodass wir mit der verheißungsvollen Ausgangsposition der Plätze eins, drei und vier in den Schlusstag starteten und Dennis nunmehr eine knappe Minute vor dem ersten Verfolger rangierte.
Verheerender Massensturz
Die gute Ausgangslage für den abschließenden Sonntag spielte aber schon bald keine große Rolle mehr. Denn bereits rund vier Kilometer nach dem Start ereignete sich auf leicht abfallender Strecke etwa um Position 50 im Hauptfeld ein Sturz, in Folge dessen ein großer Teil des Spitzenfeldes zu Boden ging. An sich handelte es sich um einen normalen Rennunfall, wie er in jedem Radrennen vorkommt. Mehr als außergewöhnlich war allerdings das Ausmaß des Sturzes. Insgesamt kam eine dreistellige Zahl von Teilnehmenden zu Sturz, die Polizei meldete schließlich rund 100 Verletzte und 38 Schwerverletzte. Bei dem Bild der Verwüstung, das sich nach dem Unfall bot, und Schilderungen von Augenzeugen muss man von Glück sprechen, dass niemand ums Leben gekommen ist. Unser Teamkollege Ben Witt zählte 68 (!) Krankenwagen an der Unfallstelle.
Das Rennen wurde im Anschluss noch anderthalb Stunden fortgesetzt und schließlich erst an der letzten Bergwertung des Tages für beendet erklärt. Eine Information der Teilnehmenden an der Rennspitze, was passiert war, erfolgte nicht, weswegen das Rennen bis zum Abbruch normal ausgefahren wurde. Dennis kam zwar zu Sturz, verlor zwischenzeitlich den Anschluss, konnte seine Gesamtführung aber mithilfe des Teams und dank einer bravourösen Energieleistung verteidigen. Mit großen Einsatz fuhr das Team und am Ende er sich selbst zurück ins Feld. “Das Team hat unermüdlich für mich gearbeitet nach dem Sturz. Ohne die Jungs wäre das ganz sicher eine ganz, ganz enge Kiste geworden”, lobte Gesamtsieger Dennis nach dem Rennen, der mit einem blutenden und dicken Ellenbogen als Tagesvierter gewertet wurde. Moritz und Flo stürzten ebenfalls, zogen sich schmerzhafte Prellungen zu und spielten in der Folge keine Rolle im Rennen mehr. Noch ärger erwischte es Teamkollege Jonas, der sich einen Schlüsselbeinbruch zuzog und ins Krankenhaus gebracht werden musste – auch an dieser Stelle nochmals gute Besserung!
Lehren aus dem Geschehen
Stürze gehören zum Radsport dazu, jeder der an einem Radrennen teilnimmt, muss sich im Klaren sein, dass eine realistische Chance besteht, mit Knochenbrüchen und einem Haufen Carbonschrott vom Rennen nach Hause zu kommen. Auch spricht alles dafür, dass der Sturz aus einer normalen Rennsituation entstanden ist – sei es, dass sich ein Fahrer am Hinterrad des Vordermannes aufgehängt hat und eine Kettenreaktion ausgelöst hat, sei es ein geplatzter Reifen oder ein unbedachtes Fahrmanöver. Der Unfall an sich ist also schlicht und ergreifend Pech und niemandem vorzuwerfen. Auch die Rettungskette hat allem Anschein nach perfekt funktioniert, genau wie die Handhabung des Geschehens durch den Veranstalter.
Dass dieses normale Renngeschehen so gravierende Auswirkungen hatte, hatte Gründe: Im vorliegenden Fall haben sich mehrere Faktoren gegenseitig bedingt und zu einer extrem gefährlichen Ausgangslage geführt. Der Sturz passierte auf einer leichten Abfahrt, zudem herrschte Rückenwind. Dadurch lag die Geschwindigkeit bei rund 65 km/h. Das Fahrerfeld war zum Unfallzeitpunkt noch sehr groß und auf einer breiten Straße unterwegs, weshalb die Fahrer sehr dicht beieinander fuhren. Das machte das Ausweichen unmöglich und erhöhte die Zahl der Gestürzten massiv. Dichte Felder und hohe Geschwindigkeit erhöhen das Risiko verheerender Stürze.
Abfahrten gehören zu Radrennen dazu, ebenso dass schnell gefahren wird. Veranstalter können aber durch das Streckendesign beeinflussen, wann solche gefährlichen Stellen im Rennen auftreten und wie groß die Felder sind, die solche Punkte erreichen. Je kleiner die Gruppen sind, die in einer solchen Abfahrt gleichzeitig unterwegs sind, desto weniger gravierend sind die Auswirkungen von Stürzen. Beim Riderman ging es direkt vom Start einen knapp drei Minuten langen Anstieg hinauf und direkt danach in die besagte abschüssige Passage, in der der Sturz passierte. Vor zehn Jahren mag ein solcher Anstieg gereicht haben, um eine reduzierte Gruppe in die erste Abfahrt zu schicken. Bei der Leistungsdichte, die mittlerweile beim Riderman und in der Jedermannszene allgemein herrscht, genügt ein solcher Berg aber nicht mehr, um das Feld auseinanderzureißen und zu sortieren. Nur zur Verdeutlichung des Niveaus: Am Samstag habe ich gut vier Watt pro Kilo im Schnitt über 2:45 Stunden getreten, was für Platz 74 gereicht hat. Über fünf Watt pro Kilo Schwellenleistung sind weit verbreitet, an der Spitze geht es eher Richtung sechs Watt pro Kilo. Um das Feld zu sortieren, braucht es deswegen schwerere Berge oder ein anderes Streckendesign.
Besser wäre es beispielsweise gewesen, wenn das Feld wie zuletzt 2023 zunächst über welliges Gelände und kleinere verwinkelte Straßen geschickt worden wäre. Denn dann zieht sich das Geschehen automatisch auseinander, das Feld wird sortiert und ausgedünnt und die Geschwindigkeit ist geringer als auf breiten Straßen. Selbst wenn ein Sturz passiert, hat dieser keine so gravierenden Auswirkungen, wie am Sonntag. Diese Kritik gilt ausdrücklich nicht nur für den Riderman. Auch in Frankfurt oder seit diesem Jahr in Köln führt das Rennen direkt zu Beginn auf großen mehrspurigen Schnellstraßen, die extrem dichte Felder bei hohen Geschwindigkeiten zur Folge haben. Auch die Größe der Startblöcke stellt einen wesentlichen Faktor dafür dar, wie viele Fahrer gleichzeitig an gefährliche Stellen im Rennen kommen. So könnte man erwägen, den ersten Block auf beispielsweise 150 bis 200 Starter zu reduzieren, Abstände zwischen den Startblöcken zu lassen und somit das Risiko von Massenstürzen bei hohen Geschwindigkeiten zu reduzieren. Denn es gehört auch zur Wahrheit, dass die Fahrtechnik in Jedermannfeldern unterschiedlich stark geschult ist. Von erfolgreichen Elite Amateurfahrern bis zu unerfahrenen Quereinsteigern ist alles dabei, weshalb das Risiko, das von Fahrfehlern ausgeht, viel größer ist, als in Profifeldern gleicher Größe.
Diese Vorschläge schreibe ich mit dem Ziel, ein manchmal riskantes Hobby etwas sicherer zu machen. Und ich möchte betonen, dass der Riderman aus meiner Sicht das mit am besten organisierte Rennen in unserem Rennkalender ist: Reibungslose Abläufe, eine super Verpflegung, gesperrte, anspruchsvolle Strecken, ein professioneller Livestream, unzählige Helfer mit viel Herzblut und vieles mehr machen das Event im Schwarzwald für uns jedes Jahr zu einem Highlight. Auch deshalb bin ich mir sicher, dass sich die Veranstalter um den engagierten Rik Sauser sicher genau die Umstände des fatalen Massensturzes anschauen und ihre Schlüsse daraus ziehen werden. Insbesondere in Zeiten des ungebrochenen Radsportbooms mit ständig steigenden Starterzahlen sollten und müssen schließlich auch die Rahmenbedingungen und Sicherheitsvorkehrungen der neuen Größe der Radevents angepasst werden.
Wie der Riderman darf auch das Team Strassacker in diesem Jahr auf ein besonderes Jubiläum blicken: 25 Jahre voller Leidenschaft für den Radsport. Seit seiner Gründung ist der Riderman in Bad Dürrheim ein fester Bestandteil des Rennkalenders und wird es auch in Zukunft für das Team Strassacker bleiben.
Einen maßgeblichen Anteil daran haben die Sauser-Brüder – allen voran Rik Sauser –, die den Riderman Jahr für Jahr zu einer der sichersten und professionellsten Radveranstaltungen Deutschlands gemacht haben. Dies gilt umso mehr, als die Radsportfamilie am vergangenen Sonntag von einem tragischen Ereignis erschüttert wurde.
“Der Riderman ist und bleibt für uns eine Herzensveranstaltung, die wir eng mit unserer Teamgeschichte verbinden”, betont Teamchef Franco Adamo. Abschließend bleibt nur noch, den Gestürzten gute Besserung zu wünschen und allen Helferinnen und Helfern einen großen Dank auszusprechen.