3Rides Aachen: Moritz Beinlich fährt aufs Podium

Der erste UCI Gran Fondo auf deutschem Boden war natürlich auch für das Team Strassacker ein Pflichttermin und Highlight im Rennkalender 2024. Auch wenn die Strecke komplett in der Bundesrepublik lag, war das Rennen aufgrund der Konkurrenz, die überwiegend aus dem nahen Belgien und den ebenfalls unmittelbar angrenzenden Niederlanden kam, eines der bestbesetzten Rennen, die das Team in letzter Zeit bestritten hat. Trotzdem konnten die Fahrer in Celeste in allen Altersklassen sehr gute Ergebnisse einfahren.

Von Fabian Thiele

Start um 7 Uhr morgens! Diese Aussicht machte nicht nur den passionierten Langschläfern im Team Sorgen, sondern sorgte aller Orten für lange Gesichter. Nur Kollege Timo Dahlheimer, der gerne gegen fünf Uhr morgens auf die Rolle geht, konnte die ganze Aufregung nicht verstehen. Als dann der Wecker am Renntag um halb fünf klingelte war aber alle Müdigkeit trotz der kurzen Nacht verflogen, schließlich stand uns eines der mutmaßlich härtesten Rennen des Jahres bevor. Der Parcours versprach ein anspruchsvolles und selektives Rennen. Nach dem Start am Aachener Tivoli ging es sieben Kilometer neutralisiert und teilweise über Kopfsteinpflaster durch die Innenstadt, bevor ein etwa 35 Kilometer langer Aufstieg in Stufen durch den Hürtgenwald in Richtung des Rursees folgte. Dort stand eine etwa 40 Kilometer lange Schleife durch den Nationalpark Eifel auf dem Plan, die mit zwei längeren und mehreren kurzen, aber steilen Anstiegen gespickt war. Danach ging es die bereits bekannten ersten 40 Kilometer über nun abfallendes Terrain zurück zum Start am CHIO-Stadion im Aachener Norden. Anders als gewohnt starteten die Altersklassen getrennt voneinander, sodass unser Team sich über die beiden ersten Startblöcke (19-35 und 36-45) aufteilte.

Nach dem scharfen Start blieb das Feld bis auf wenige halbherzige Ausreißversuche im Wesentlichen beisammen, wozu Jonas Brzenczek und Kjell Power beitrugen, die immer wieder die Tempoarbeit übernahmen und unsere Kapitäne aus dem Wind und der Verantwortung heraushielten. In einem der steileren Abschnitte im Hürtgenwald wurde es erstmals schneller und einige Konkurrenten testeten die Beine. Trotz des sehr hohen Tempos bildete sich keine Gruppe und so war auf der Kuppe noch eine sehr große Gruppe von etwa 70 Fahrern beisammen – ein extrem hohes Niveau zeichnete sich ab.

Weil aber nach dem sehr intensiven Anstieg niemand so recht die Tempoarbeit übernehmen wollte, war plötzlich kein Zug mehr im Feld und alle schauten sich erstmal um. Den Moment ließ ich mir nicht entgehen und trat links um eine Verkehrsinsel herum an, während die restliche Gruppe den längeren Weg auf der rechten Seite wählte. Und die Attacke saß, schnell hatte ich einige Meter Lücke und fuhr Vollgas weiter. Einen Moment später bekam ich Begleitung von Jordy Vermeulen (Niederlande), der die Gunst der Stunde erkannt hatte. Wir waren uns ohne Worte einig und zogen voll durch. Hinten verschleppten meine Teamkollegen das Tempo und nach etwa fünf Kilometern, in denen die Lücke nicht so recht aufgehen wollte, vergrößerte sich der Abstand peu à peu, bis beim Blick zurück nur die morgendliche Eifel, aber kein Verfolgerfeld mehr zu sehen war.

Für uns hatte sich damit die perfekte Situation ergeben, dass unsere Kapitäne hinten die Füße hochnehmen konnten, um möglichst ausgeruht ins Finale gehen zu können. An der Spitze merkte ich schnell, dass Vermeulen keine Laufkundschaft war – im Windschatten an seinem Hinterrad war es fast härter als wenn ich selbst in der Führung war. Trotzdem funktionierte die Zusammenarbeit für die nächsten 30 Kilometer über Berg und Tal sehr gut. Mit etwa eineinhalb Minuten Vorsprung kamen wir am schweren Anstieg in Hammer an und was sich bereits angedeutet hatte, trat ein: Vermeulen schlug ein horrendes Tempo an und ich konnte nicht mehr folgen.

Den Anstieg in Hammer hatten wir in der Vorbesprechung als Schlüsselstelle des Rennens ausgemacht. Nach einer schnellen und engen Anfahrt durch das Dorf folgte eine Rampe von einem Kilometer mit zweistelligen Steigungswerten, bevor die Straße nur kurz flacher wurde, um dann bis zum Gipfel nach knapp drei Kilometern weiter anzusteigen. Von der Spitze des Feldes lancierte Moritz Palm wie gepant Moritz Beinlich, der unten im Steilstück eine unwiderstehliche Attacke setzte, der nur Vince Mattens (BEL) folgen konnte. „Nachdem wir vorher gut Körner sparen konnten, hat mich Moritz echt perfekt zum Anstieg gebracht. Das Feld war wie eine Perlenkette aufgereiht und als ich dann von zweiter Position losgefahren bin, habe ich direkt gemerkt, dass ich die Gruppe sprengen konnte“, kommentierte Moritz Beinlich den entscheidenden Moment nach dem Rennen.

Auf der Kuppe des Anstiegs schlossen Moritz und Vince Mattens (Belgien) zu mir auf und zu dritt machten wir uns auf die Verfolgung von Spitzenreiter Vermeulen. Man hätte es nicht besser planen können, denn so konnte ich als Relaisstation für Moritz noch Tempo fahren. Das ging etwa zehn Kilometer lang gut, bevor Moritz und Mattens mich an einer Welle stehen ließen. Damit ergab sich vor den letzten 40 abfallenden Kilometern folgendes Bild: An der Spitze Vermeulen als Solist, etwa eine Minute dahinter Moritz Beinlich und Vince Mattens und mit nochmal einer Minute Abstand eine knapp 50-köpfige Gruppe, in der von uns Moritz Palm und Dennis Biederer saßen und die mich kurz darauf in der Abfahrt stellte.

An einem der kleinen Gegenanstiege konnte Vince Mattens unserem Moritz nicht mehr folgen und so lief es auf ein Fernduell Mann gegen Mann auf den letzten 20 Kilometern hinaus. Im übriggebliebenen Peloton deckten wir drei so gut es ging alle Attacken ab, leider kam Dennis dabei in der Hektik zu Sturz. Glücklicherweise bestätigte sich die erste Befürchtung nicht und er trug keine Brüche davon.

An der Spitze versuchte Moritz alles, kam aber nur noch auf etwa eine halbe Minute an Vermeulen heran. “Ich war ein bisschen verwirrt, weil ich unterschiedliche Angaben zum Abstand bekommen habe – mal eine Minute dann wieder nur eine halbe und dann wieder eine Minute”, so Moritz. “Als ich zehn Kilometer vor dem Ziel Jordy immer noch nicht sehen konnte habe ich mich auf das Verteidigen des zweiten Platzes fokussiert. Ich hatte immer noch ein gutes Bein.” Und so kam der Niederländer nach einem Solo von knapp 50 Kilometern als verdienter Sieger in einem extrem stark besetzten Rennen ins Ziel. In der Gruppe, die mittlerweile um Platz drei fuhr, ging es recht chaotisch zu. Zahlreiche Positionskämpfe und ein munteres Attackieren machten das Finale hektisch und schnell. Moritz Palm versuchte sein Glück nochmal an der letzten Welle drei Kilometer vor Ziel, kam aber nicht entscheidend weg. Danach nahm er vor der verwinkelten und gefährlichen Zielanfahrt am Aachener Tivoli mit einigen Kurven und Kreisverkehren auf Kopfsteinpflaster raus, um keinen Sturz zu riskieren.

Wenige Sekunden davor rettete Moritz Beinlich schlussendlich einen bärenstarken zweiten Platz über die Linie. “Ein paar Kilometer vor dem Ziel habe ich mich nochmal umgedreht und das heranrauschende Feld gesehen, da ging mir nochmal kurz die Düse, aber schlussendlich konnte ich meinen Vorsprung ins Ziel bringen und habe den zweiten Platz genossen”, fasste Moritz die letzten Meter aus seiner Sicht zusammen.

Auch in den anderen Altersklassen gelangen Spitzenresultate: Ben Witt konnte, befreit von seinen sonstigen Aufgaben als Dampflok vor dem Feld, auf einen herausragenden fünften Platz in der Altersklasse bis 40 Jahre fahren. Der Mann ist nicht nur das beste Hinterrad im Feld, sondern auch für ein Resultat gut, wenn er von der Kette gelassen wird. Auch Timo Dahlheimer wusste mit Rang 18 zu überzeugen. Noch besser machte es Holger Koopmann, der in der Altersklasse bis 54 sogar den Sieg feiern konnte!

Damit fahren wir nicht nur mit mehreren sehr guten Ergebnissen, sondern auch mit der Qualifikation für die Weltmeisterschaft im Spätsommer in Dänemark in der Tasche nach Hause. Zudem haben wir die Gewissheit, auch in der internationalen Gran-Fondo-Szene bestehen zu können, in der das Niveau gerade bei einer solchen Menge von Fahrern aus den Beneluxländern hoch ist. Zur Illustration: Der Sieger brachte über die Rennzeit von knapp drei Stunden eine Durchschnittsleistung von 339 Watt aufs Pedal, bei mir standen in den ersten beiden Rennstunden ebenfalls über 330 Watt im Schnitt auf dem Tacho – jeweils fast fünf Watt pro Kilogramm Körpergewicht.

“Wir haben vieles richtig gemacht, das war ein schöner Teamerfolg! Gerade, dass wir es geschafft haben, auch in so einem Feld Verantwortung zu übernehmen und uns zu behaupten, stimmt mich echt positiv”, zog Moritz Beinlich das Fazit zum Rennen. Schon nächstes Wochenende können wir uns wieder auf internationalem Level beweisen, wenn es für uns zum UCI Gran Fondo in die Vogesen geht. Nach seinem zweiten Platz vom letzten Jahr schielt Moritz Beinlich hier aufs oberste Treppchen. Die Form stimmt auf jeden Fall…