Schleck Gran Fondo: Wenn alles andere verblasst

Für rund 3000 Radsportler sollte der Schleck Gran Fondo in Luxemburg ein echtes Highlight im Rennkalender werden, inklusive Chance auf Qualifikation auf die Amateur-WM in Schottland. Stattdessen mussten sie eine Tragödie miterleben: Ein Radsportler stürzte schwer und verstarb.

Von Joscha Weber

Wir stürzen uns in eine kurvige Abfahrt im Luxemburger Kanton Remich. Zwischen Beyren und Canach geht es mit hoher Geschwindigkeit zwischen Wiesen und Weiden talwärts. Plötzlich springen Ordner auf die Straße und fordern unsere Verfolgergruppe mit hektischen Bewegungen auf, langsamer zu fahren. Hinter der nächsten Kurve verstehen wir, warum: Das Führungsfahrzeug hat zwei rote Flaggen gehisst und die Spitzengruppe angehalten. Das Rennen ist unterbrochen.

Fragen und Gerüchte gehen durch das Feld. Es soll weiter vorn einen medizinischen Zwischenfall geben, ein Rettungseinsatz laufe. Zu sehen ist nichts. Niemand weiß genaues. Dann kommt ein Mitarbeiter der Rennorganisation durch das Feld gelaufen und sagt: “Das Rennen wird neutralisiert”, kurzer Applaus kommt auf. Auf meine Nachfrage, wie es der betroffenen Person geht, sagt er nur: “Es sieht nicht gut aus”. Wir stehen in der prallen Mittagssonne und ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken.

Kurz darauf setzen wir unsere Fahrt fort. Wir fahren vorbei an Krankenwagen und rollen – kontrolliert vom Führungsfahrzeug – neutralisiert bis ins Ziel. Dort läuft die Siegerehrung des Medio-Fondo-Rennens bereits, auch hier gibt es noch keine Information zum Zwischenfall auf der Strecke. Kurz darauf bestätigt sich dann leider ein Gerücht, dass bereits durchs Fahrerfeld ging: der betroffene Teilnehmer ist verstorben. Ein 73-jähriger Radsportler aus Belgien nahm am Medio Fondo teil und soll in Canach frontal in eine Hauswand geprallt sein. Er verstarb noch am Unfallort, berichten später lokale Medien.

Die Nachricht spricht sich herum und die Rennorganisation bricht die Siegerehrung folgerichtig ab. Während einige Teilnehmer nach ihren Ergebnissen und den WM-Qualifikationslisten fragen, wollen andere davon nichts mehr wissen und reisen ab. Wenig später veröffentlicht der Veranstalter ein Statement: “Zuallererst möchten wir der Familie, den Freunden und den Angehörigen des verstorbenen Fahrers unser aufrichtiges und tiefes Beileid aussprechen. Unsere Herzen sind in diesen Momenten des unbeschreiblichen Schmerzes bei ihnen. Die Familie wurde unmittelbar nach dem Unfall von den Veranstaltern benachrichtigt und betreut.” Der Unfall habe sich trotz aller Sicherheitsmaßnahmen, die zum Schutz aller Teilnehmer ergriffen wurden, ereignet.

Rennunfälle sind Begleiter unseres Sports, das wissen alle, die sich zu einem Radrennen anmelden. Das Risiko fährt immer mit. Dieses möglichst zu minimieren ist die Aufgabe aller Beteiligten, Teilnehmer eingeschlossen. Leider fand die sechste Ausgabe des Schleck Gran Fondo im offenen Straßenverkehr statt, was bei solchen Events bedauerlicherweise nicht unüblich ist – allerdings immer wieder zu gefährlichen Situationen führt. Wie im Fall meines Teamkollegen Johannes König: Er fuhr mit seiner Gruppe auf ein in Fahrtrichtung des Rennens fahrendes Auto auf, dieses machte zunächst Anstalten, rechts anzuhalten und die Gruppe überholen zu lassen. Plötzlich zog es dann aber links rüber und räumte Johannes ab, der sich durch den Einschlag in eine Scheibe des Fahrzeugs mehrere Knochenbrüche zuzog und seitdem auf der Intensivstation eines Luxemburger Krankenhauses liegt. Ihm geht es den Umständen entsprechend, seine Saison dürfte gelaufen sein. Unser Team unterstützt ihn, wo es geht. Solche Unfälle wären aus unserer Sicht vermeidbar, wenn die Rennstrecke während des Rennens konsequent für den Autoverkehr gesperrt würde. Die Rennorganisation versicherte uns gegenüber, dass dies versucht wurde, der Schleck Gran Fondo hätte aber für eine vollständige Streckensperrung keine Genehmigung der Behörden erhalten.

Und so bleibt über einem sonnigen Tag in Luxemburg auf einer tollen Strecke durch das Großherzogtum flankiert von einer liebevollen und professionellen Organisation rund um Ex-Profi Fränk Schleck leider ein dunkler Schatten. Es ist ein schwarzer Tag für die Radszene und unsere Gedanken sind bei den Angehörigen und Freunden des verunglückten Radsportlers.